Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 34.1914

DOI Artikel:
Hausenstein, Wilhelm: Die Neue Münchner Secession
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7447#0335

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die neue Münchner Secession.

WALTER TEUTSCH MÜNCHEN. GEMÄLDE »LANDSCHAFT«

besonnenen Gesamtleistung zu begegnen. Auch
Bilder, die ausschweifend erscheinen könnten,
sind in die distinguierte Situation so hinein-
gefaßt, daß sie gemessen wirken. Seewald
hängt neben Sieck, Jawlensky neben Feldbauer
und Jagerspacher, Kokoschka neben Nowak,
Levy, dieser feine Matisseschüler, neben dem
kräftigen Hess, Klee neben Nolde und Nolde
neben Beckmann, Schülein bei Stein, Macke
bei Püttner. Alles erscheint in diesen trefflichen
Räumen wie auf einem und demselben Niveau.
Auch jede Häufung, die kraß wirken könnte, ist
vermieden. Alles Plebejisch-Rebellische fehlt.
Mit vornehmer Verschwendung hat man die
Bilder einreihig und in angenehmen Abständen
gehängt. Man hängte auch jeweils die Bilder
desselben Malers nebeneinander und mehrte
damit gleichsam ihre Berechtigung. Anderer-
seits vermied man jede Pedanterie. Man hängte
nicht symmetrisch, sondern nach allerlei Nüancen
und Gegensätzen: mit einer scheinbaren, in
Wirklichkeit sehr raffinierten Lässigkeit, die den
Eindruck sicherer Distinktion noch verstärkt.
Und vor allem : man hängte mustergiltig wenig.
Der Katalog verzeichnet für fünf Säle und zwei
Zimmer zweihundertsiebzehn Arbeiten. Unwill-
kürlich denkt man daran, wie etwa bei den

Futuristen oder bei den Jndependants aus-
gestellt wird. Sicher sehr wüst. Aber zuweilen
weiß man nicht, ob man nicht die roheste und
konfuseste Aufhäufung vorzöge. Man könnte
darin vielleicht mehr Auftrieb finden.

Man hat auch im Material dem sozusagen
Konservativen viel eingeräumt. Man mußte es,
denn in München ist mit der Zahl der Künstler,
die Radikales wollen, keine neue Secession zu
machen. Kandinsky und Marc haben — wie
mir scheint sehr zu Unrecht — ihre Beteiligung
versagt. Nun wich man instinktiv ein wenig
nach rechts. Man findet in der Ausstellung
Dinge, die an sich ihre liebenswerte Qualität
haben, aber in dieser Zeit und in diesem
Rahmen fremd sind. Man findet zum Beispiel
Sieck. Aber auch in den Dingen, die den Kern
der Ausstellung ausmachen, lebt eine verhält-
nismäßig konservative Überlieferung fort. Das
ist nicht Ablehnung. Es ist eine Konstatierung
neutraler, fast naturhistorischer Art — der
ich nur rein aus meinem persönlichen Gefühl
heraus eine Note des Widerspruchs beimische.
Man lebt mit großer Intensität in einer wert-
vollen malerischen Tradition. Jagerspacher,
Feldbauer, Lichtenberger, Hess, Unold, Kopp,
Schülein, Teutsch — jeder Name bedeutet

327
 
Annotationen